D-55116 Mainz Mahnmal St. Christoph
Informationen
Bauherr
Stadt Mainz
Verarbeiter
Gramenz Neubau Garten- und Landschaftsbau, Wiesbaden
Planer
RAIBLE, Freie Landschaftsarchitekten + Ingenieure AKRP, Mainz-Lerchenberg
Ausführung
September 2014 – Dezember 2014
Verbaute Mengen
ca. 1.500 m²
Produkte
Grandezza Platten
Plantano XL Platten
60x30x5 cm
60x30x12 cm
100x50x12 cm
100x50x5 cm
Oberflächen
Graffito Nr. 739 geschliffen und glanzgestrahlt und sandgestrahlt
St. Christoph Mainz – Wider des Vergessens
Die letzten Zeitzeugen erinnern sich noch genau an den 27. Februar 1945: Es gab nachmittags mehrfach falschen Fliegeralarm, sodass sich viele Mainzer an jenem Dienstag bereits in Sicherheit wähnten. Was schließlich am frühen Abend über die Stadt hereinbrach, sollte der verheerendste Fliegerangriff im gesamten Zweiten Weltkrieg auf Mainz werden. Über 1.200 Menschen verloren im Bombenhagel Ihr Leben. Die gesamte Innenstadt wurde zu 80 Prozent zerstört. Und mit ihr eines der symbolträchtigsten Bauwerke: Die frühgotische Kirche St. Christoph. Mitunter rund 1.200 Jahre alt, überragt sie historisch betrachtet nicht nur den Mainzer Dom. Vielmehr war sie als Taufkirche von „Stadtvater“ Johannes Gutenberg längst zu einem ganz besonderen Ort im Stadtbewusstsein geworden.
St. Christoph, das bei der Bombardierung bis auf die Grundmauern zerstört wurde, sollte auch nach Kriegsende zum Mahnmal und Sinnbild der Zerstörung werden. So hat man vorhandene Überreste zerstörter Häuser im direkten Umfeld entfernt, damit sich der Blick ungehindert auf die Kirchenruine richten kann. Die stark zerstörten Außenmauern von St. Christoph wurden saniert und die Nordseite mit Betonstützen abgesichert, auf denen Bildhauer Heinz Hemrich die leidvolle Stadtgeschichte in einem Relief verewigte. Was aber mit erfolgtem Umbau 1963/64 als Mahnmal für die Ewigkeit angedacht war, drohte zum Leidwesen vieler Bürger alsbald in Vergessenheit zu geraten. Der umgebende Stadtplatz entwickelte sich über Jahrzehnte ohne klares Konzept: Zu einengend und zu unsensibel gestaltete sich nach und nach das direkte Umfeld der Kirchenruine.
50 Jahre nach ihrer Errichtung bot die Anlage ein bedauerliches Bild, das seiner zugedachten Rolle nicht mehr würdig war.
Offen für das Erinnern
Gemeinsam mit dem Mainzer Mäzen Stefan Schmitz sowie dem Rotary Club der Stadt startete 2012 schließlich eine Bürgerinitiative. Der ambitionierte Plan: Bis zum 70. Jahrestag der Zerstörung sollte die Würde von St. Christoph wiederhergestellt sein. Neben der Sanierung der Bausubstanz von Kirchenruine und Turm war im Besonderen das Konzept und die Gestaltung der Flächen eine außergewöhnliche Herausforderung. Es galt kein geringeres Ziel, als das Denkmal St. Christoph zurück in das Bewusstsein der Menschen zu bringen, es wiederzubeleben und in Szene zu setzen. Die Planung sah sich vor der Aufgabe, den vorhandenen Stadtraum grundlegend neu zu strukturieren, Nutzungen zusammenzufassen, Flächenanteile zu bündeln.
Platz-, Wege- und Grünflächen sind nach dem Konzept von RAIBLE. Landschafts- Architekten + Ingenieure heute so angeordnet, dass eine großzügige und funktionale Gesamtstruktur entstand. Die Kirchenruine steht heute zentral auf dem neu geschaffenen Platz und ist somit Teil desselben. Das offengelassene Kirchenschiff präsentiert sich als Zentrum des umgebenden Stadtraumes. Gewünschter Effekt: Besucher und auch Passanten werden auf diese Weise direkt in die Gedenkstätte geleitet. Verkehrsberuhigt und barrierefrei zugänglich, bietet der umgebende Platz multifunktionalen Nutzungen eine großzügige Bühne. Er ist sowohl Wegekreuz verschiedener Straßen und angrenzender Plätze als auch Rückzugsort in der belebten, umgebenden Mainzer Innenstadt. Der Zuspruch in der Bevölkerung ist enorm, sodass der Bereich rund um St. Christoph schnell zu einem beliebten Treffpunkt und Ort für z.B. Mittagspausen wurde. Fünf immergrüne Steineichen fassen den Platz, bieten dann an heißen Tagen ein Schattendach. Zudem schaffen sie eine angenehme Kulisse zur gegenüberliegenden Fassade der 60-er Jahre.
Ein zweifelloser Höhepunkt ist den Planern mit der Realisierung der Ausstellung im Inneren der Kirchenruine gelungen. Filigrane Sitzbänke aus Metall erinnern an die kirchliche Vornutzung und bieten die Möglichkeit, die Geschichte des Ortes in Ruhe auf sich wirken zu lassen. Der Entwurf setzt die Kirchenruine und den Platz in einen untrennbaren Bezug zueinander. Formensprache und Zonierung der Fläche sind geprägt vom Zusammenspiel von Sitzbändern und Belagsbändern, von Metall und (Beton)stein. Die verwendeten, großformatigen Platten von Kronimus spielen als belastbare Belagsfläche eine wesentliche Rolle im Gesamtkonzept. Homogen ziehen sie sich als großformatige Pflasterung im dunkelgrauen Farbton „Graffito Nr. 739“ flächig bis in den Innenraum der Ruine. Kontrastierend überführen helle Belagsbänderungen als Sonderanfertigung im Maß 100 x 45 cm die Flächenteilung aus dem Innenraum ins Freie.
Seit Februar 2015 informieren hier, leuchtend modern, bunte Glastafeln über die Geschichte des Nationalsozialismus im Allgemeinen und der von St. Christoph im Speziellen. Inmitten der Relikte des Sakralbaus entstand eine Gedenkstätte, deren Besuch alt und jung definitiv in Erinnerung bleibt.